Späte Pubertät: Wie Eltern loslassen lernen – von der Kontrolle zur Begleitung

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Von der Kontrolle zur Begleitung: Wie wir als Eltern in der späten Pubertät loslassen können

„Das Gröbste ist geschafft!“ – das denkt man doch oft, wenn die erste Phase der Pubertät endlich überstanden ist. Die Kinder sind volljährig, haben den Führerschein, vielleicht einen Job oder eine Ausbildung und eigentlich ist jetzt alles einfacher, oder? Denkste! Plötzlich klopft die späte Pubertät an die Tür – und die kommt nicht leise. Sie bringt Fragen nach Identität, Unabhängigkeit und Freundeskreisen mit, bei denen einem als Eltern die Haare zu Berge stehen.

Bei uns zuhause ist die späte Pubertät nicht einfach nur zu Besuch. Sie hat sich häuslich eingerichtet – inklusive Drama, Streitigkeiten und diesem „Ich weiß doch auch nicht, warum ich das mache“-Mantra. Unsere älteste Tochter (19) steckt mitten in dieser Phase. Besonders schwierig wird es, wenn sie sich Menschen anschließt, die wir als „schlechten Einfluss“ einstufen. Noch brisanter wird es, wenn da kriminelle Neigungen ins Spiel kommen.

Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Sollen wir die Zügel straffer ziehen, alles laufen lassen, oder irgendwo dazwischen eine Balance finden? In diesem Artikel geht’s genau darum: Wir schauen uns die späte Pubertät an, reden über heikle Freundeskreise und kriminelle Einflüsse und überlegen, wie wir mit Geduld, Humor und einer guten Portion norddeutscher Ruhe die Familie durch diese Phase steuern.


Späte Pubertät

1. Die späte Pubertät – was ist das eigentlich?

Wir dachten doch alle, mit 18 ist der „Spuk“ vorbei, oder? Leider nicht. Die späte Pubertät ist wie die kleine Schwester der „richtigen“ Pubertät – nur subtiler, aber nicht weniger anstrengend.

Warum? Weil das Gehirn immer noch Baustelle ist. Der Frontalhirnbereich, der für Entscheidungsfähigkeit und Impulskontrolle zuständig ist, reift erst Ende 20 vollständig. Gleichzeitig wollen junge Erwachsene ihre Identität finden, sich von uns Eltern abgrenzen und in der Gesellschaft ihren Platz einnehmen.

Hier mal ein Überblick, was diese Phase so turbulent macht:

  • Identitätsfindung: „Wer bin ich, und was will ich eigentlich vom Leben?“
  • Abnabelung: „Wie werde ich unabhängig, ohne mich völlig zu verlieren?“
  • Freunde als Orientierung: „Welche Leute passen zu mir?“

Was wir als Eltern tun können

Es hilft, diese Phase als einen Teil der Entwicklung zu verstehen. Wenn wir wissen, warum bestimmte Dinge passieren, können wir sie gelassener angehen. Vielleicht schaut ihr euch zusammen mal Bücher oder Artikel über diese Phase an – Wissen ist wirklich Macht.


2. „Schlechter Umgang“ – wenn die Freunde uns Sorgen machen

Neue Freunde sind in diesem Alter oft ein heikles Thema. Manchmal haben wir das Gefühl, unser Kind schließt sich Menschen an, die überhaupt nicht zu den Werten passen, die wir als Familie vertreten.

Aber warum ist das so? Ganz einfach: Junge Erwachsene suchen Anerkennung und Zugehörigkeit. Sie wollen Menschen finden, die sie „cool“ finden – auch wenn das für uns Eltern wenig Sinn macht.

Was du auf keinen Fall tun solltest

  • Verbote aussprechen: Ein „Du darfst die nicht mehr sehen!“ führt oft dazu, dass dein Kind sich erst recht an diese Leute klammert.
  • Freunde schlechtreden: Aussagen wie „Die sind doch alle nichts für dich!“ bewirken nur, dass dein Kind sich von dir distanziert.

Stattdessen

  • Neugierig bleiben: Frag dein Kind, was es an diesen Freunden schätzt. Zeig Interesse, ohne zu urteilen.
  • Alternativen fördern: Unterstütz dein Kind dabei, Hobbys oder Gruppen zu finden, die positive Freundschaften fördern.
  • Grenzen setzen: Wenn du merkst, dass der Umgang wirklich gefährlich wird, ist es wichtig, klare Regeln aufzustellen.

Praktischer Tipp: Jugendliche, die in Vereinen, Sportteams oder kreativen Gruppen aktiv sind, finden oft leichter Freundeskreise, die gesünder und inspirierender sind.


Späte Pubertät

3. Was tun, wenn kriminelle Einflüsse ins Spiel kommen?

Hier wird’s wirklich ernst. Der Kontakt zu kriminellen Personen ist ein Warnsignal, das wir als Eltern nicht ignorieren dürfen. Jetzt geht es nicht nur um schlechte Einflüsse, sondern um die Gefahr, dass unser Kind in illegale Aktivitäten verwickelt wird.

Wie du vorgehen kannst

  1. Die Lage realistisch einschätzen: Stell sicher, dass deine Sorge begründet ist. Gibt es Anzeichen für kriminelle Aktivitäten wie Drogenhandel, Diebstahl oder Gewalt? Oder wirkt die Situation eher provokant, aber nicht wirklich gefährlich?
    • Sprich mit deinem Kind und diskutiere ohne Vorwürfe.
    • Hole dir gegebenenfalls Einschätzungen von Lehrern, Trainern oder anderen Vertrauenspersonen.
  2. Die Beziehung aufrechterhalten: Dein Kind muss wissen, dass du für es da bist, auch wenn es in Schwierigkeiten steckt.
    • Frag nach, ohne zu verurteilen: „Wie fühlst du dich in dieser Gruppe?“ oder „Warum ist dir der Kontakt so wichtig?“
    • Zeig Verständnis, aber sei auch ehrlich über deine Sorgen.
  3. Klare Grenzen setzen: Wenn Gefahr besteht, dass dein Kind ernsthafte Konsequenzen für sein Handeln tragen muss, brauchst du Regeln.
    • Sag deutlich, was du in deinem Haus oder Umfeld nicht tolerierst (z. B. keine Treffen mit kriminellen Personen).
    • Zögere nicht, Fachleute wie Jugendberater oder Therapeuten hinzuzuziehen, wenn die Situation eskaliert.

Praktischer Tipp: Lebe Werte wie Ehrlichkeit und Respekt selbst vor. Dein Verhalten ist oft der stärkste Einfluss auf dein Kind.


4. Loslassen – warum Fehler wichtig sind

Das Loslassen ist eine der schwersten Lektionen im Elternsein. Wir wollen unsere Kinder beschützen, doch in der späten Pubertät lernen sie am meisten aus ihren eigenen Fehlern.

Wie du loslassen kannst

  • Vertrauen schenken: Zeig deinem Kind, dass du an seine Fähigkeit glaubst, gute Entscheidungen zu treffen – auch wenn es manchmal schiefgeht.
  • Gespräche anbieten: Statt Kontrolle auszuüben, könnt ihr regelmäßig reflektieren, wie bestimmte Entscheidungen gelaufen sind.
  • Verantwortung übertragen: Gib deinem Kind schrittweise mehr Eigenverantwortung, etwa bei der Budgetplanung oder Haushaltsorganisation.

Praktischer Tipp: Tief durchatmen! Oft brauchen unsere Kinder einfach Raum, um sich selbst auszuprobieren – und kommen am Ende stärker daraus hervor.


5. Hilfe suchen – du musst das nicht allein schaffen

Niemand muss diese Herausforderungen allein meistern. Es gibt viele Einrichtungen und Plattformen, die dir helfen können.

Online-Angebote

Communities

  • Eltern.de oder NetMoms: Foren, in denen sich Eltern austauschen und Tipps geben können.

Wann professionelle Hilfe nötig ist

Wenn sich die Situation zuspitzt – etwa durch Straffälligkeit oder destruktives Verhalten –, zögere nicht, Experten wie Jugendberater oder Schulpsychologen hinzuzuziehen. Hilfe anzunehmen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke.


Fazit: Gemeinsam durch die stürmische Zeit

Die späte Pubertät ist wie eine zweite Runde Teenager-Chaos – anstrengend, aber nicht unlösbar. Mit Geduld, Humor und einer offenen Kommunikation können wir als Eltern diese Phase meistern und unseren Kindern den Raum geben, den sie für ihre Entwicklung brauchen.

Es kommt eine Zeit, in der wir Eltern nicht mehr die Hirten sind, die jede Entscheidung lenken und kontrollieren. Stattdessen werden wir zu Leuchttürmen, die in stürmischen Zeiten Orientierung bieten. Wir stehen fest, egal wie heftig die Wellen schlagen, und senden ein Licht aus, das unseren Kindern in dunklen Momenten den Weg weist.

Auch wenn wir nicht immer direkt eingreifen können, sind wir da – als ruhende, verlässliche Kraft, die Halt gibt, wenn alles um sie herum chaotisch erscheint. Und das ist letztendlich unsere wichtigste Aufgabe: nicht die Kontrolle zu behalten, sondern Orientierung, Sicherheit und Vertrauen zu schenken.

Denn eines ist sicher: Kein Sturm dauert ewig. Und am Ende der stürmischen Pubertätszeit stehen oft selbstbewusste junge Erwachsene, die stolz auf sich und dankbar für die unerschütterliche Unterstützung ihrer Eltern zurückblicken. In diesem Sinne: Bleibt standhaft, liebe Eltern – eure Leuchtturmfunktion ist wertvoller, als ihr denkt.


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