Mein Kind mit ADHS – Vom Schmerz der Ablehnung und einer wertvollen Lektion

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  • Beitrags-Kategorie:ADHS im Familienalltag
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  • Beitrag zuletzt geändert am:März 24, 2025
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Wenn dein Kind anders ist – Eine persönliche Geschichte über ADHS und Ausgrenzung

ADHS – vier Buchstaben, die oft mit Unruhe, Konzentrationsproblemen und Schwierigkeiten in der Schule assoziiert werden. Doch kaum jemand spricht über die soziale Seite dieser Neurodiversität. Darüber, wie Kinder mit ADHS Schwierigkeiten haben, Freundschaften zu knüpfen. Wie sie immer wieder anecken, nicht in bestehende Gruppen passen und oft allein bleiben. Heute möchte ich meine ganz persönliche Geschichte teilen. Eine, die mich als Vater tief bewegt hat und mich auch Jahre später nicht loslässt.

Mein Sohn und sein Wunsch, dazugehören zu wollen

Mein Sohn bekam seine ADHS-Diagnose bereits im Kindergartenalter. Und auch wenn ich inzwischen viel über das Thema weiß, war es damals ein harter Schlag. Nicht, weil ich ADHS als etwas Negatives gesehen habe – sondern weil mir bewusst wurde, dass mein Kind es in dieser Gesellschaft schwer haben würde.

Er war nie das Kind, das sich einen besten Freund suchte. Stattdessen wollte er mit allen spielen. Jeder war für ihn potenziell ein Freund – und das war das Problem. Während andere Kinder enge Freundschaften schlossen, suchte er nicht nach Exklusivität, sondern nach Möglichkeiten. Das kam nicht gut an. Immer wieder wurde er von Gruppen ausgeschlossen. Ein Tag mit dem einen Kind, am nächsten Tag mit einem anderen – das mochten sie nicht. Er galt als „unzuverlässiger Spielpartner“. Und so blieb sein Fach im Kindergarten leer. Keine Freundebücher, keine Einladungen zu Geburtstagen, kein Zeichen von Zugehörigkeit.

ADHS

Die Einladung, die nicht für ihn war

Dann, eines Tages, passierte etwas, das mir das Herz brach. Ich holte meinen Sohn vom Kindergarten ab. Strahlend kam er auf mich zugelaufen und rief: „Papa, Papa, guck mal! Ich hab eine Einladung!“ In seinem kleinen Händchen hielt er einen weißen Umschlag.

Meine Gedanken rasten. Endlich! Endlich hatte er es geschafft. Endlich wurde er gesehen. Endlich durfte er Teil von etwas sein.

Doch dann kam ein anderes Kind angelaufen. Es nahm den Umschlag und sagte ganz beiläufig, dass die Einladung gar nicht für meinen Sohn gedacht war. Sie war für das Kind, dessen Fach direkt neben seinem war.

Ich kann kaum in Worte fassen, was in diesem Moment in mir vorging. Mein Herz zog sich zusammen. Mein Magen drehte sich um. Ich sah in die Augen meines Sohnes. Sein Lächeln verschwand – aber nur für einen kurzen Moment. Dann riss er sich zusammen. Er tat so, als wäre es ihm egal. Doch ich wusste, dass es das nicht war.

Er sah mich an und sagte: „Ist nicht schlimm, Papa.“ Er wollte mich trösten. Mich! Während er selbst in diesem Moment unendlich traurig gewesen sein musste.

Allein euch von dieser Erfahrung zu berichten, diesen Moment mit euch zu teilen und ihn erneut zu durchleben, treibt mir wieder die Tränen in die Augen. Damals konnte ich kaum atmen – so viel Kraft hat es mich gekostet, die Tränen vor meinem Sohn zu verbergen. Ich wollte so stark sein wie er. Es muss unerträglich schwer für ihn gewesen sein.

Doch am Abend konnte ich mir Zeit für mich nehmen. Es dauerte eine ganze Weile und kostete jede Menge Taschentücher.

Sicherlich, einige würden jetzt denken: „Ach, der übertreibt.“ Ich kann es euch nicht verübeln. Wer unseren Weg nicht gegangen ist, kann es kaum nachvollziehen – und das ist in Ordnung.

Was ich aus dieser Erfahrung gelernt habe

Ich weiß nicht genau, warum ich diese Geschichte heute erzähle. Vielleicht, weil sie mich nach all den Jahren noch immer beschäftigt. Vielleicht, weil ich anderen Eltern zeigen möchte, dass sie nicht allein sind. Vielleicht, weil ich sagen möchte: ADHS ist kein Makel. Es ist kein Fehler. Es ist einfach nur anders.

Mein Sohn hat mir damals eine Lektion erteilt, die ich niemals vergessen werde. Er hat mir gezeigt, was wahre Stärke ist. Die Stärke, Zurückweisung mit Würde zu ertragen. Die Stärke, weiterzumachen, auch wenn es weh tut. Und vor allem die Stärke, selbst dann noch an das Gute zu glauben, wenn die Welt grausam erscheint.

ADHS ist nicht das Problem – die Gesellschaft ist es

Kinder mit ADHS haben es schwer, weil sie nicht in die starren Strukturen passen, die wir ihnen vorgeben. Sie sind kreativ, begeisterungsfähig, offen für Neues. Sie denken nicht in Schubladen. Doch genau das erwartet die Gesellschaft von ihnen.

Ich wünsche mir, dass wir alle lernen, mehr Platz füreinander zu machen. Dass wir aufhören, Kinder in Kategorien zu pressen. Dass wir erkennen, dass Gedankliche Vielfalt eine Bereicherung ist.

Wenn du ein Kind mit ADHS hast – oder einfach nur ein Kind, das ein bisschen anders ist – dann möchte ich dir sagen: Du bist nicht allein. Dein Kind ist nicht falsch. Es ist wunderbar, genau so, wie es ist.

Und irgendwann wird die Welt das erkennen. Da bin ich mir sicher.

Für viele Eltern mag dies eine Banalität darstellen, aber für Kinder mit ADHS ist es unfassbar schwer, Anschluss in die Gesellschaft zu finden. Das fängt nicht erst im Grundschulalter an. Und wenn ein Kind permanent ausgeschlossen wird, dann kann eine einfache Einladung zu einem Geburtstag ein unfassbares Geschenk sein

Von diesen Geschichten habe ich Tausende – und ich bin mir sicher, dass auch ihr solche Erfahrungen gemacht habt. Erlebnisse, die für viele Eltern vielleicht eine Lappalie darstellen, für euch aber ein Moment des Schmerzes gewesen sind.

Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreib mir in die Kommentare – ich freue mich auf den Austausch mit dir!

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